“Ohne einen Sars-CoV-2-Impfstoff werden wir nie wieder normal leben können.”
Prof. Peter Piot, Direktor der London School of Hygiene and Tropical Medicine 5/2021 - Tageszeitung WELT vom 13.5.2010
“Die Erlösung naht”
Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim Besuch von Curevac — Schwäbisches Tagblatt 2.10.2020
Die Impfung mit diesem inzwischen verfügbaren Impfstoff von sehr vielen Menschen weltweit gilt als Bedingung, die Pandemie zu „besiegen“ und Menschen, die per Infektionsschutzgesetz entzogenen Grundrechte zurückzugeben.
Am 11.03.2020 wurde von der WHO der weltweit beobachtete Ausbruch von Infektionen mit COVID-19 als Pandemie eingestuft. In den Folgemonaten lief die Impfstoffentwicklung und ‑produktion bei Unternehmen weltweit unter Einsatz zuvor unvorstellbarer wissenschaftlicher und finanzieller Ressourcen auf Hochtouren. Laut WHO befinden sich derzeit mehr als 200 Impfstoffprodukte in der Entwicklung.
Bereits neun Monate später bekam der erste Impfstoff eine notfallmäßige Zulassung (am 2.12.2020 in GB). Inzwischen sind von der US-amerikanischen (FDA) und der europäischen Zulassungsbehörde (EMA) weltweit vier Präparate zugelassen im Sinne einer „bedingten“ oder notfallmäßigen Zulassung nach einem beschleunigten Zulassungsverfahren. Weitere Präparate auf dem Markt sind in den nächsten Monaten zu erwarten.
Primum nihil nocere
Dies ist ein seit fast 2000 Jahren gültiger Grundsatz ärztlichen Handelns. Im ärztlichen Bemühen, den Menschen zu helfen, ist zunächst darauf zu achten, ihnen keinen Schaden zuzufügen. Diese moralische Richtlinie gilt heute mehr denn je. Besonders bei der Gabe von Medikamenten an Gesunde ist ganz besonders darauf zu achten, dass dieses Medikament wirksam und sehr sicher, also nahezu nebenwirkungsarm, ist.
Bei Impfstoffen, die ja Millionen gesunder Menschen verabreicht werden, müssen die Prüfungen extrem gewissenhaft erfolgen. Bei so großen Zahlen an Geimpften können sich auch scheinbar seltene Nebenwirkungen in der Bilanz dramatisch auswirken.
Die Zulassungsbehörden müssen eine Entscheidung zur Zulassung sehr sorgfältig prüfen können, und zwar frei von jeglichem politischen Druck.
Normalerweise durchläuft jedes Medikament streng regulierte Phasen der Erprobung, die jeweils über einen bestimmten Zeitraum angelegt sind. In Phase 1 und Phase 2 werden an wenigen Freiwilligen Verträglichkeit, Nebenwirkungen, Verstoffwechselung im Organismus untersucht. Danach prüft man unterschiedliche Dosierungen.
Nach entsprechender Nachbeobachtungszeit, die auch zeitversetzt auftretende Nebenwirkungen erfassen soll, wird in Phase 3 der Impfstoffkandidat an tausende Freiwillige verabreicht. Man untersucht nun, wie hoch der Schutz vor einer Infektion ist.
Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, sowie sonstige auch im längerfristigen Verlauf auftretende Nebenwirkungen (z.B. immunologische oder Krebserkrankungen) müssen erfasst werden. Speziell Phase 3 benötigt normalerweise vier bis sechs Jahre, die Gesamtdauer der Impfstoffentwicklung bis zur Zulassung beansprucht acht bis zehn Jahre.
Bei den bisher zugelassenen Covid 19-Impfstoffen wurden und werden sog. “Rolling Reviews” durchgeführt, d.h. Phasen 1/2 und Phasen 2/3 werden teilweise parallel durchgeführt, die Daten schon vor Studienabschluss bei der Zulassungsbehörde eingereicht. Die für die Zulassungsbehörden geforderte Nachbeobachtungszeit in Phase 3 wurde abgekürzt auf sechs Wochen bis zwei Monate. Längerfristig auftretende Effekte, etwa auf das Immunsystem, können in diesem kurzen Zeitraum nicht erfasst werden.
Zum Thema Impfen gibt es zahlreiche Veröffentlichungen mit Details etwa zu den unterschiedlichen Prinzipien der Impfstoffe (konventionell oder genbasiert), zu Wirkungen und bisher beobachteten Nebenwirkungen.
Eine Literaturauswahl ist unten angefügt.
Wenige Punkte sollen angeführt werden:
- Bei den Sars-Cov‑2 – Impfstoffen handelt es sich zumeist um ein genbasiertes Präparat, das bei Menschen bisher nicht zur Anwendung kam, also neu ist.
- Aussagen über die Dauer des Impfschutzes und ein erforderliches Nachimpfungsintervall, über „Non-responder“, also Menschen die keinen Impfschutz entwickeln, über eine Wirksamkeit bei der Vielzahl zu erwartenden Mutanten, auch über mögliche Nebenwirkungen im Langzeitverlauf sind bisher nicht möglich. Auch ist bisher nicht bekannt, ob Geimpfte Sars-CoV‑2 weitergeben können, also weiterhin potentiell infektiös sind.
- Einen Impfzwang darf es nicht geben, auch die WHO spricht sich gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Jeder Mensch soll selbst entscheiden, ob er unter Abwägung des persönlichen Risikos einer möglichen (bei jüngeren Menschen meist harmlosen) Covid-Erkrankung eine Impfung wünscht. Es ist sehr fraglich, eine Zuteilung der entzogenen Grundrechte von einer durchgeführten Impfung abhängig zu machen.
- Nach erfolgter Impfung ist es sehr wichtig, jeden Geimpften über mindestens zwei Jahre nachzubeobachten, um nach einem längeren Intervall auftretende Nebenwirkungen erkennen zu können. Eine Untersuchung auf einen möglichen Zusammenhang mit der Impfung ist auf jeden Fall bei schwerwiegenden Erkrankungen und Tod durchzuführen.
- Es ist problematisch, eine weltweite Massenimpfung gegen Sars-CoV‑2 als alternativlos zur Überwindung der Pandemie und den katastrophalen Folgen des Lockdowns zu sehen. Entscheidend wichtig ist eine Stärkung des Immunsystems durch gesunde Ernährung, körperliche Aktivität, ein gutes soziales Netz, Abbau von Ängsten und Aufbau von Vertrauen.
Denn:
Mike Ryan, WHO
Prof. Streeck (Virologe)
Allgemeine und spezielle Informationen:
Literatur:
Hardtmuth, Thomas; Glöckler, Michaela: Corona und das Rätsel der Immunität. Akanthos-Akademie, 2021. 348 Seiten, ISBN: 9783752672817