Testen, testen, testen — Dieser seit Monaten von Politikern, Ärzten und anderen wichtigen Leuten mantraartig wiederholte Slogan ist täglich in allen Medien wahrzunehmen. Neben einer möglichst raschen Durchimpfung der Bevölkerung gilt ein Zertifikat über einen aktuellen negativen Schnelltest auf SARS-CoV‑2 inzwischen als Passepartout für den Zugang in Geschäfte, Außengastronomie, Kinos und Konzertsäle, für Reisen innerhalb und außerhalb Deutschlands. Ja, selbst für einen Besuch von Schulen, Kindergärten und Kitas ist inzwischen die Durchführung eines Schnelltests auf SARS-CoV‑2 obligat. In einer kurzen Übersicht sollen Aspekte zu Antigen-Schnelltests erörtert werden, dazu ein kurzer Vergleich zu weiteren Nachweismöglichkeiten einer SARS-CoV-2-Infektion. Nicht besprochen wird die Untersuchung auf Antikörper (neutralisierende Antikörper, Antikörper-Schnelltests) als Beleg einer durchgemachten Covid 19-Erkrankung (oder Impfung?).
Vorbemerkung: Bei den “Infektionszahlen” im medialen Sinn ist immer der Nachweis von Genmaterial von SARS-CoV-2-Viren gemeint, unabhängig davon, ob der positiv Getestete Krankheitszeichen aufweist. Eine Infektion im medizinischen Sinn ist dagegen definiert als Ansteckung durch eingedrungene Krankheitserreger, die eine lokale oder allgemeine Störung des Organismus zur Folge hat. Dies ist bei sehr vielen positiv Getesteten nicht der Fall, sie sind und bleiben asymptomatisch.
Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion:
PCR: Als “Goldstandard” gilt die PCR (Polymerase-Kettenreaktion), die nach einem Nasen- oder Rachenabstrich genetisches Material (RNA) des Virus nachweisen kann. Die PCR, entwickelt 1953 von Kary Mullis (Nobelpreis 1993 für Chemie) zum Nachweis von RNA oder DNA verschiedener Gewebeproben und Mikroorganismen kann auch kleinste Mengen nachweisen, da das genetische Ausgangsmaterial so lange vervielfältigt wird, bis ein diagnostisches Signal auftritt. Der sog. Ct-Wert gibt an, wieviele Verdopplungszyklen erfolgen müssen, bis ein Signal erkennbar ist und sollte korrekterweise bei jedem Test angegeben werden.
Die Probenentnahme erfolgt durch medizinisches Personal, die Auswertung in einem Labor. Ein positives Ergebnis muss an das Gesundheitsamt gemeldet werden.
Antigen-Schnelltest: geschultes Personal führt Nasen- oder Rachenabstrich durch, die Auswertung erfolgt vor Ort, das Ergebnis ist nach wenigen Minuten ablesbar. Ein positiver Test ist meldepflichtig und führt obligat zu einem PCR-Test.
Antigen-Selbsttest: jedermann kann den (Schnell-) Test bei sich oder anderen (z.B. Kinder) durchführen, meist durch Nasenabstrich. Ein positiver Test ist nicht meldepflichtig, sollte aber einen PCR-Test nach sich ziehen.
Zuverlässigkeit der Tests:
Zur Charakterisierung der Zuverlässigkeit, mit der Infizierte und Nichtinfizierte erkannt werden können, werden Sensitivität und Spezifität verwendet. Sensitivität bedeutet, wie viele Infizierte der Test richtig erkennt. Wenn der Test bei 100 Infizierten angewandt wird und 90 Tests sind positiv, liegt die Sensitivität bei 90%. 10 Infizierte werden nicht erkannt. Spezifität bedeutet, wie viele Gesunde der Test richtig erkennt. Wenn der Test bei 100 Gesunden durchgeführt wird und 98 davon sind negativ, liegt die Spezifität bei 98%. 2 Gesunde werden falsch positiv getestet.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert als diagnostische Sensitivität eine Nachweisgrenze von 10⁶ (1 Million) Genkopien/ml, entsprechend einem Ct-Wert von 25 bis 30 in der PCR. Die Sensitivität sollte bei mindestens 80% liegen, das heißt mindestens 80% der Infizierten sollten erkannt werden.
In Deutschland sind aufgrund einer “alternativlosen Bedarfssituation” (Gesundheitsministerium) aktuell Antigen-Schnelltests von 325 Firmen im Sinne einer befristeten Sonderzulassung verfügbar. Die Zertifizierungen können von den Firmen selbst vorgenommen werden. Die Angaben zur Zuverlässigkeit der Tests stammen ebenfalls von den Firmen. Derzeit laufen Hersteller-unabhängige Evaluationsstudien, wenige Tests sind bisher offiziell zertifiziert – darunter der im Rahmen des Tübinger Wegs verwendete Antigen-Schnelltest Panbio Nasal® von Abbott
Die Sensitivität der verschiedenen kommerziell erhältlichen Tests liegt nach Firmenangaben zwischen 80 und 95% (Abbott 98,1%). In Wirklichkeit ist die Sensitivität deutlich niedriger – nach Angabe von Prof. Kremsner, der den “Tübinger Weg” mit 125000 durchgeführten Schnelltests in 5 Wochen wissenschaftlich begleitet, liegt die Sensitivität des Tests bei etwas 50%, d.h. nur jeder 2. Virusträger (“Kranke”) wird auch positiv getestet.
Im Cochrane-Review (aktualisiert März 2021) wird in internationalen Studien die Zuverlässigkeit der Antigen-Schnelltests untersucht und bewertet. Bei Personen mit Krankheitssymptomen liegt die Sensitivität bei 72 bis 78%, bei asymptomatischen Menschen bei 58%. Bei Massentestung von asymptomatischen Menschen ist außerdem zu erwarten, dass die Anzahl der falsch positiv Getesteten die Zahl der richtig positiv Getesteten übersteigt.
Keine Daten oder Studien gibt es bisher, die die Genauigkeit dieser Tests beim wiederholten Screening bei Schülern und Personal in Schulen bewertet. Solche Teststrategien können sich bisher nicht auf “Real-World-” Evidenz aus der Praxis stützen.
Kostenerstattung der Tests: (veröffentlicht im Bundesanzeiger am 9.3.2021)
PCR-Test ab 1.5.2021: 43,56 bis 82,95 Euro
Antigen-Schnelltest: ‑ohne Sachkosten– 15 Euro
zusätzlich Bestätigung des Testergebnisses (Zertifikat) — 15 Euro
Antigen-Schnelltest Sachkosten: ab 1.4.2021 6 Euro
Zusammenfassung Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV‑2
Schnelltests sind rasch und massenhaft einsetzbar, das Ergebnis ist nach wenigen Minuten ablesbar
Seit 8.3.2021 hat jeder Deutsche das Recht, einen für ihn kostenlosen (vom Staat bezahlten) Schnelltest/Woche durchführen zu lassen
Von den zahlreichen kommerziell erhältlichen Tests sind nur die wenigsten Hersteller-unabhängig zertifiziert
Ein negatives Ergebnis im Schnelltest schließt eine Infektion nicht aus. Aufgrund der geringen Sensitivität wird besonders bei Massentestung asymptomatischer Menschen etwa jeder 2. Infizierte nicht erkannt.
Falsch positive Befunde sind zu erwarten, besonders bei Testung von asymptomatischen Menschen. Jeder positive Testbefund muss durch eine PCR nachgeprüft werden
Die Zuverlässigkeit der Schnelltests hängt auch vom Krankheitsstadium einer SARS-CoV-2- Infektion ab. Der Test wird erst bei hoher Viruslast positiv, etwa Tag 4 einer Infektion, wobei die Menschen ab diesem Zeitpunkt in aller Regel Krankheitssymptome aufweisen.
Ein einzelner Schnelltest stellt nur eine Momentaufnahme dar, die “Gültigkeit” eines negativen Tests beträgt 1 Tag (Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina).
Die Zuverlässigkeit der Schnelltests hängt auch von einer korrekten Durchführung ab, ein zu spätes Ablesen kann ein positives Ergebnis vortäuschen (nur bei einigen Produkten)
Literatur:
www.bundesgesundheitsministerium.de
www.bfarm.de (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte)
Karin Mölling: Supermacht des Lebens, Vlg. C.H.Beck
M. Glöckler (Hrsg.): Corona und das Rätsel der Immunität, Akanthos Akademie Stuttgart
Interessantes zur WHO
The World Health Organization and COVID-19: Re-establishing Colonialism in Public Health
“The World Health Organization (WHO) emerged from the ashes of World War II as a global institution which aimed to provide access to good health for all, regardless of socioeconomic status. This understanding of health was holistic, and included physical, mental and social well-being. The Alma Ata Declaration of 1978 reaffirmed these principles, enshrining community-based healthcare as at the core of decision-making.”
https://www.pandata.org/who-and-covid-19-re-establishing-colonialism-in-public-health